Generation Bee
Warum der neue Roman »Generation A« von Douglas Coupland mehr mit dem realen Bienensterben zu tun hat, als man auf den ersten Blick denken könnte.
1. Dezember 2010
Erhard Maria Klein
Rezension
Vor ein paar Monaten ist der neue Roman »Generation A« von Douglas Coupland erschienen. Er spielt in einer Welt, in der die Bienen aus unerklärlichen Gründen ausgestorben sind. Die Menschen leiden an einem Mangel an Liebe und gegenseitigem Interesse. Die Pharmaindustrie liefert mit dem Psychopharmakon »Solon« die passende Droge dazu, die dadurch, dass sie diesen Zustand erträglich macht, die Vereinzelung der Menschen weiter voran treibt. Obwohl die Bienen als ausgestorben gelten, werden an verschiedenen Orten der Welt fünf Menschen von Bienen gestochen. Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass sie von den Bienen auserwählt wurden, um eine Keimzelle einer neuen Gemeinschaft zu bilden. Kommunikation und Kooperation gewinnen in dieser Gruppe neu Gestalt. Sogar die Bienen kehren wieder zurück. Ein hoffnungsvolles Ende der Geschichte und der Beginn einer neuen Generation. Daher auch der Titel des Romans.
Obwohl es Coupland bei seinem Roman natürlich nicht um die Zukunft der Honigbiene geht, sondern um die Zukunft unserer Gesellschaft, wirft er dennoch ein interessantes Licht auf unsere aktuellen Probleme: Die Menschheit leidet massiv an den Folgen des Bienensterbens und es wird fieberhaft nach den Ursachen gesucht. Ein Zusammenhang mit der Produktion des Psychopharmakons »Solon« scheint im Roman offensichtlich. Aber der Mechanismus bleibt unklar. Hat die Produktion des Medikaments eine nicht näher verstandene direkte tödliche Wirkung auf die Bienen? Oder hat das Bienensterben eher etwas mit der Vereinzelung der Menschen zu tun, die durch »Solon« ausgelöst wird? Mit Bezug auf unsere aktuelle Realität erscheint es für uns Imker nahe liegend Pflanzenschutzmittel der Agro-Chemie als Ursache auszumachen. Immer stärker kristallisiert sich die verheerende Wirkung der Neonicotinoide, einer neuen Gruppe von Insektiziden, heraus. Dies sind synthetische Wirkstoffe, die von den Blättern, Stängeln und Wurzeln der Pflanzen aufgesaugt werden. Insekten ernähren sich davon, und die tödlichen Nervengifte tun ihr Werk. Bereits in extrem geringer Dosis stören sie Orientierung und Kommunikation der Bienen, selbst wenn noch keine offenkundigen Vergiftungsschäden nachgewiesen werden können.
Aber liegen die Ursachen für das Bienensterben nicht doch tiefer? Müssen wir bei der Ursachenforschung nicht zunächst bei uns selbst ansetzen? Auch die Bienenhaltung der vergangenen Jahrzehnte ist vor allem durch einen Prozess der Vereinzelung unter uns Imkern gekennzeichnet gewesen. Das persönliche Gewinnstreben ist immer stärker zum Maßstab des Handelns geworden. Viele Probleme, die wir heute in der Bienenhaltung haben, sind von uns Imkern selbst hervorgerufen oder zumindest begünstigt worden. Wir unterscheiden uns als Gemeinschaft von Bienenhaltern eben nicht von der Gesellschaft, in der wir leben. Einzelne mögen ausscheren, aber im Wesentlichen folgen wir denselben Prinzipien. Kann es sein, dass ein Wesen wie der Bien, dessen Leben in ganz starkem Maße von Kooperation und Kommunikation geprägt ist, sehr sensibel auf äußere Misstände in diesem Bereich reagiert? Im Roman zumindest kristallisiert sich dies als die eigentliche Ursache des Bienensterbens heraus.
Ich sehe eine weitere Parallele zum Roman, die Hoffnung machen kann: So wie die Bienen im Roman eine neue Generation A durch Stechen erwählt haben, kann man überall in der Welt das Entstehen einer neuen Generation Bee beobachten: Menschen beginnen sich neu für die Bienenhaltung zu interessieren, wobei ein gesellschaftliches Verantwortungsgefühl für den Erhalt der Honigbiene und ihrer unersetzlichen Bestäubungsarbeit im Vordergrund steht. Und man kann den Eindruck gewinnen, dass der Impuls dazu von den Bienen selbst ausgeht, die auf viele Menschen eine große Faszination ausüben.
Überall in der Welt tauchen in jüngster Zeit Menschen auf, die sich kaum noch für die konventionellen Betriebsweisen interessieren. Sie versuchen ganz selbstverständlich den natürlichen Bedürfnissen der Bienen so weit wie möglich entgegen zu kommen und experimentieren mit extensiven Konzepten der Bienenhaltung, wie z.B. Warré, Top Bar Hive oder Bienenkiste. Sie vermehren ihre Bienen über den natürlichen Schwarmtrieb und setzen oftmals ganz intuitiv zentrale Forderungen der wesensgemäßen Bienenhaltung um. Der Honigertrag spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Verantwortungsbewusstsein für den Erhalt der Schöpfung. Von dieser Generation Bee geht eine neue positive Ausstrahlung und Leichtigkeit aus. Ich mache mir um die Zukunft der Honigbiene keine Sorgen. Ein neuer Anfang ist bereits gemacht. Wir sind dankbar, mit Mellifera e.V. einen Beitrag dazu leisten zu können.
Erhard Maria Klein