Die Biene und das Biest

Ein Artikel in der Wochenzeitung DIE ZEIT über die Varroamilbe ist Anlass für mich, über Leben und Sterben in der Bienenkiste nachzudenken.

4. November 2011 Erhard Maria Klein
   Varroa / Bienengesundheit / Bienenkunde

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Wir haben im Laufe vieler Jahre die Erfahrung gemacht, dass das erste Bienenjahr mit einem Naturschwarm in den allermeisten Fällen vollkommen problemlos läuft, wenn man die wenigen Dinge beherzigt, die nötig sind (Varroabehandlung, Startfütterung und Futterkontrolle im Spätsommer). Der Schwarm hat eine große Vitalität und gute Voraussetzungen, um erfolgreich über den Winter zu kommen. Er bringt wenig Varroamilben mit, weil er die meisten Milben in der Brut des Muttervolkes zurückgelassen hat. Und die Bienen haben einen großen Bau- und Sammeleifer.

ABER: ein Bienenschwarm gleicht in gewisser Weise eher einer ein- oder zweijährigen Pflanze, als z.B. einem Säugetier, dass Jahrzehnte alt wird. Bienenvölker durchleben einen sehr ausgeprägten Jahresrhythmus. Die Einzelbiene lebt nicht lange und sowohl die Überwinterung als auch das Schwarmgeschehen ist jedes Jahr wieder ein Abenteuer - für die Bienen und den Imker ;-) Die allgemein ungünstigen äußeren Faktoren machen es nicht leichter: Varroamilbe, verarmte Landschaft, Pestizide, einseitige Zuchtpraktiken usw.

Leben und sterben lassen

Ein Grundansatz bei der Bienenkiste besteht darin, das Bienenvolk dadurch zu stärken, dass man die natürlichen Prozesse ermöglicht und unterstützt oder ggf. auch in Kauf nimmt, wenn ein Bienenvolk nicht vital genug ist, um aus eigener Kraft zu überleben. In der konventionellen Imkerei würde man sehr tief eingreifen, wenn ein Bienenvolk Probleme bereitet. Man tauscht z.B. einfach die Königin aus, wenn die alte nicht zufriedenstellend ist. Viele Imker beziehen neue Königinnen per Briefpost vom “Königinnenversand”. Genetisch gesehen ist das der Tod des alten Bienenvolks. Dadurch, dass man möglichst viele Arbeitsbienen vom alten Volk erhält, hat die neu gekaufte Königin einen guten Start. Diese “Herztransplantation” bei Bienenvölkern erweckt den Eindruck von Kontinuität. Es ist aber eigentlich kein großer Unterschied dazu, dass das Volk als Ganzes stirbt und man mit einem Schwarm neu beginnt. Im Falle der künstlichen “Umweiselung” sterben alte Königin und die alten Arbeiterinnen zeitversetzt. Wenn ein Bienenvolk eingeht, sterben sie gleichzeitig. Der Sinn von solchen Eingriffen besteht natürlich darin, die “Produktionsmittel” zu erhalten und keine Einbußen der “Leistungsfähigkeit” zu haben. Man erkauft sich dies aber damit, dass dass neue Bienenvolk - anders als ein Schwarm - auch alle Krankheitskeime des ursprünglichen Volkes behält.

Schwieriges Jahr für Bienenkisten-Imker

Dieses Jahr war in vielen Regionen Deutschlands eher schwierig. Der frühe und warme Frühling hat die Volksentwicklung explodieren lassen, was das Schwärmen (und die Varroaentwicklung) begünstigt hat. Der kalte und feuchte Sommer ging zum Teil zulasten des Honigertrags, so dass manche Völker und Schwärme nicht genug Vorräte sammeln konnten. Mancher Bienenkisten-Imker musste im Spätsommer 15 Kilo Zucker auffüttern!

Ein Phänomen, das wir noch nie beobachtet haben, waren die Heidschwärme, die mancher Anfänger erleben musste. Und noch problematischer für Bienenkisten-Imker ist das Phänomen, dass in diesem Jahr viele junge Königinnen nicht begattet worden sind und Völker dadurch drohnenbrütig geworden sind. Beides kommt in der Praxis eigentlich nur selten vor. In diesem Jahr trat es gehäuft auf. Eine einfache Erklärung dafür habe ich nicht und schiebe es auf den ungewöhnlichen Jahreslauf.

Auch die Varroabelastung gibt Anlass zur Sorge. Bieneninstitute haben bereits Warnungen herausgegeben und es gibt auch vermehrt Rückmeldungen von Bienenkisten-Imkern über einen starken Varroabefall. Auch hier gibt es teilweise keine plausiblen Erklärungen, weil Imker betroffen sind, die die Varroabehandlung vorbildlich durchgeführt und den Milbenbefall frühzeitig mit Varroaboden oder Puderzucker-Methode festgestellt haben.

Nicht entmutigen lassen!

Bauern kennen das: Es gibt Jahre, die sind schwierig: zu feucht, zu trocken, zu kalt oder alles zusammen :-( Wer in diesem Jahr mit der Bienenkiste begonnen hat und nach einem hoffnungsvollen Start plötzlich vor unerwarteten Problemen stand, kann sich vielleicht damit trösten, dass es in diesem Jahr für viele Imker schwierig war (egal ob Bienenkiste oder konventionell, ob Anfänger oder Profi).

Bleibt die Hoffnung, dass es einen guten Winter gibt und das nächste Jahr wieder besser den Bedürfnissen der Bienen entspricht!

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