Rezension: Bienen naturgemäß halten
Als Bienenkisten-Imker freue ich mich sehr über das gerade erschienene Buch “Bienen naturgemäß halten“ von Wolfgang Ritter. Obwohl wir als Bienenkisten-Imker nicht die primäre Zielgruppe des Buchs sind, möchte ich jedem Bienenkisten-Imker die Anschaffung dieses Buchs empfehlen.
19. November 2014
Erhard Maria Klein
Rezension / wildlebende Bienen
Der Bienenwissenschaftler, Dr. Wolfgang Ritter schreibt sein Buch eigentlich für Imker, die darüber nachdenken in Richtung biozertifizierte Honigproduktion zu gehen, und er konzentriert sich in seinen Betrachtungen hauptsächlich auf die Magazinbeute.
Das Buch ist so aufgebaut, dass er bei jedem einzelnen Aspekt des Bienenlebens zunächst vom wild lebenden Bienenvolk ausgeht und ausführlich beschreibt, wie es natürlicherweise leben würde. Dann diskutiert er die heute gängigen imkerlichen Konzepte und bewertet sie vor dem Hintergrund des natürlichen Lebens im Wildvolk. Daran anschließend stellt er in jedem Kapitel die Richtlinien der verschiedenen Ökoverbände vor und vergleicht sie tabellarisch. Dieser Teil ist für die meisten Hobbyimker nicht unbedingt so interessant.
Hilfreich dagegen sind selbst für Bienenkisten die zahlreichen praktischen Infokästen “so wird’s gemacht” und “gut zu wissen”, die über Futtertränken, Bauvorgaben für Naturwabenbau, Beutenanstrichen auf Leinölbasis, Reinigung von Beuten, Gesundheitstipps usw. zahlreiche konkrete Anleitungen und Tipps liefern. Diese sind i.d.R. betriebsweisen-übergreifend angelegt.
Bienenbeobachter
Apropos “Bienenkisten”-Imker: Ritter hat einen eigenen Namen für die Bienenkisten-Imker gefunden. Er nennt uns Bienenbeobachter und schreibt:
“Eine naturnahe Imkerei wird sich zunächst nach den natürlichen Ansprüchen des Bienenvolks richten. Es überrascht daher nicht, dass heute die vor allem in Städten verbreiteten Bienenbeobachter auf möglichst ursprüngliche Nestbauten setzen. Die Herstellung von Klotzbeuten und Strohkörben ist vielen zu aufwendig. Auf der Suche nach einfachen Beuten hat man dort eine einfache Bienenkiste gefunden. Sie besteht mehr oder weniger aus sechs Brettern, an deren Deckel oder dort befestigte Leisten die Bienen Waben bauen. Diese einfachste Haltungsform ist natürlich nicht für eine wirtschaftliche Honigproduktion geeignet, auch wenn die Honigwaben mit Hilfe von Leisten entnommen werden können. Für die Beobachtung von Bienen am Flugloch und ein paar Gläser Honig reicht es aber allemal.”
Die Bienenbeobachter setzen mit ihren Bienenkisten auf möglichst ursprüngliche Nestbauten.
Der Schwarmtrieb müsste eigentlich positiv bewertet werden.
Ritter hat sehr gut erfasst, worum es uns mit der Bienenkiste geht und er teilt unsere Einschätzung, dass die Bienenkiste ein sehr naturnahes Konzept ist.
Schon der auf dem Buchcover abgebildete Schwarm zeigt, dass Ritter konsequent vom Bien ausgeht und so widmet er auch dem Schwarmtrieb viel Aufmerksamkeit. Er schreibt:
“Ein Bienenvolk vermehrt sich durch Schwärmen. Die meisten Imker versuchen, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Der Schwarmtrieb müsste jedoch, wenn es alleine um das »Sich wohl fühlen« des Volkes ginge, positiv bewertet werden.”
Vor diesem Hintergrund mag es etwas irritierend sein, dass Ritter eine sehr neutrale Position bei der Bewertung der imkerlichen Maßnahmen einnimmt. Er bewertet zwar die Entfernung von einzelnen imkerlichen Maßnahmen zum Leben des Wildvolkes, aber er ist dabei vollkommen unideologisch. Außerdem bezieht er in seine Erwägungen neben dem Bienenschutz auch noch den Verbraucherschutz mit ein und so ist z.B. die Überlegung im Brutraum Mittelwände zu nehmen und im Honigraum Naturwabenbau aus wesensgemäßer Sicht ziemlich abwegig.
Diese neutrale und sachliche Sicht der Dinge ist aber eine große Stärke des Buchs, die uns “Bienenbeobachtern” sehr gute Argumente im Dialog mit den “Vereinsimkern” liefert. Es gibt m.W. außerdem bisher kein anderes praxisbezogenes Imkerbuch, das so sehr den Bien in den Mittelpunkt stellt.