Betriebsbienen und Azubees
Honigbienen und Betriebe – was gibt es da für Verknüpfungen? Marcus Haseitl fand für sein Betriebsbienenkonzept mit der Firma Rapunzel Naturkost und für das Azubees-Projekt mit der Stadt Kempten als Ausbildungsbetrieb zwei Partner, die für ein summendes Betriebserlebnis offen waren.
10. Oktober 2014
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Die Situationen, in den Firmen mit ihren Beschäftigten vor immer komplexeren Konstellationen stehen, kennt ein jeder, der sich mit Betriebsabläufen und Organisationsstrukturen beschäftigt. Seien es veränderte Auftragslagen, variierende Erwartungen, Erschließen von neuen Geschäftsfeldern… Je nach Firma und Ressort kann so eine Liste nahezu beliebig erweitert werden. Betriebe reagieren auf solche Anforderungen, der Kommunikationsfluss nimmt zu und man läuft dabei Gefahr, dass zwar mehr kommuniziert wird, aber die beteiligten Menschen sich weniger und weniger wirklich begegnen und etwas Entfremdendes eintritt. Je nach Betriebskultur wird solchen Prozessen mit unterschiedlichen Hilfsmitteln begegnet. Neben klassischen Elementen wie Supervision oder Coaching finden in Firmen auch Angebote aus dem Bereich der Erlebnispädagogik Einzug, wo sich Betriebsangehörige außerhalb ihres üblichen Arbeitsfeldes begegnen. Mellifera-Mitglied Marcus Haseitl – Imker und Pädagoge – fragte sich, warum denn nicht mit Bienen ein solches Setting schaffen, wo sich Menschen bei einer sinnstiftenden Tätigkeit, wie eben bei der gemeinsamen Bienenhaltung, beim praktischen Tun begegnen?
Wer nun Bienenhaltung und Betriebsabläufe nur mit emsigen Bienen und fleißig Honig sammeln in Verbindung bringt, der unterschätzt die Faszination und das Potential, was von Honigbienen ausgeht. Wer wünscht sich nicht für seine Firma ein fundiertes Corporate Identity? Die sterzelnden Bienen am Flugloch geben dazu reichlich Impulse. Wer wünscht sich nicht für die Betriebsentwicklung die Offenheit für neue Geschäftsfelder? Die Anpassungsfähigkeit der Honigbienen an sich verändernde Trachtgegebenheit, die Sammelpräsenz auf 30 Quadratkilometer lassen uns immer wieder staunen. Ebenso faszinierend das gemeinsame Bienenwerk des Wabenbaus, die differenzierten Kommunikationsabläufe, das Pulsieren im Tages- und Jahreslauf oder die Nullpunktsituation beim Schwärmen. Und wer sich in die diffizilen Abläufe des Biens noch weiter hineindenkt und -fühlt, der entdeckt viele weitere Beispiele was Bienen und Betriebe verbindet.
Partner für ein summendes Betriebserlebnis
Marcus Haseitl fand für sein Betriebsbienenkonzept mit der Firma Rapunzel Naturkost und für das Azubees-Projekt mit der Stadt Kempten als Ausbildungsbetrieb zwei Partner, die für ein summendes Betriebserlebnis offen waren.
Die Betriebsbienen zogen bei Rapunzel Naturkost bereits 2013 ein. Drei MitarbeiterInnen betreuten unter der Anleitung von Marcus Haseitl das erste Bienenvolk. Schon in dieser Zeit gab es immer wieder faszinierte „Mitschauer“ aus der Belegschaft. Und während die Bienen in der Winterruhe waren, wurde firmenintern zum Mitmachen motiviert. So startete man dann pünktlich zur Schwarmzeit mit einem 13-köpfigen Bienenteam aus den verschiedensten Abteilungen und dem Plan, die Betriebsbienen auf vier Völker anwachsen zu lassen.
Jede Durchsicht des Altvolks, jede Neubesiedelung brachte ein Gemisch von Vorfreude aber auch kribbelnder Spannung für die Beteiligten. Wie beeindruckend das Einlaufen eines Schwarmes dabei ist, drücken die Worte des Vertriebsleiters Thies Curschmann aus: „So nah dran sein zu dürfen und die langsame Prozession in die neue Bienenkiste hinein beobachten zu dürfen, ist tief beeindruckend.“ Wie von selbst stand in Kaffeepausen von nun an bereichsübergreifendes Bienen beobachten auf dem Programm und in Teamarbeit wurde die Völkerführung gemeistert.
Nicht ganz so öffentlich ist das Azubees-Projekt der Stadt Kempten im Allgäu. Zwar gab es darüber schon Rundfunk- und Zeitungsberichte, aber hier wird eher im Stillen zusammen über die Bienen gestaunt, gemeinsam für die Völker Verantwortung getragen und das eine oder andere spannende Bienenereignis erlebt. Bei beiden Projekten kommt aber das Zitat von Karl von Frisch zum Tragen: „Der Bienenstaat gleicht einem Zauberbrunnen, je mehr man daraus schöpft, desto reicher fließt er.“
Ein geeigneter Rahmen
Um das organische Potential des Bienenvolks für Betriebsprozesse voll zur Geltung kommen zu lassen, sind Naturwabenbau und Schwarmbetriebsweise wertvolle Helfer. Je nach pädagogischem Konzept eigenen sich unterschiedliche Bienenwohnungen für die Bienenhaltung im Betrieb. Der Standort sollte auf dem Firmengelände sein, um den „Pauseneffekt“ zu ermöglichen, und die Zuständigkeit für ein Volk liegt bei ca. 3 Personen. Um die Begeisterung in der Belegschaft zu wecken, ist ein Bienenevent, Vortrag o.ä. durchaus hilfreich … und letztlich ein Imker mit Verständnis für Gruppendynamik.
Sarah Bude, Markus Haseitl